Augenmuskeltraining der dPV
Ein kurzer Testbericht des Programms zum Augenmuskeltraining, das vom dPV angeboten wird
In der Spenden-Transparent-Broschüre Nr.11 vom September 2022 wurde das Programm als “von Experten der RWTH-Aachen entwickeltes” Programm zum Augenmuskeltraining, speziell für Parkinson Patienten, vorgestellt. Die Entwicklung wurde, laut der Broschüre, aus Spendengeldern finanziert. Trotzdem kostet die Software 19,99€ für dPV-Mitglieder und 29,99€ für Nichtmitglieder.
Was man bekommt
Wenn man die Software bei der dPV bestellt, erhält man einen 4GB USB2-Stick, auf dem knapp 400MB Daten gespeichert sind. Im Hauptverzeichnis des Sticks findet man einen Ordner mit dem Namen Files und eine Datei mit dem Namen Start.html. Wenn man diese Datei in einem Webbrowser (Firefox, Chrome, Safari, … o.ä.) öffnet, startet das Programm. In der Regel genügt es, auf der Start.html-Datei doppelt zu klicken.
Erste Unstimmigkeiten
Im dPV-Shop und in der Spenden-Transparent-Broschüre werden als Systemvoraussetzungen Microsoft Windows 2000/XP oder neuer, ein Monitor mit mindestens 17-Zoll Bilddiagonale und ein USB-Anschluss genannt. Die Angaben sind nicht falsch aber ein bisschen irreführend: Der Monitor und der USB-Anschuß werden auf jeden Fall benötigt. Aber, ob es sich bei dem Rechner um einem PC mit Microsoft Windows, einen MAC von Apple oder um ein Linux-System handelt spielt keine Rolle.
Die Software ist in der Programmierspache Javascript geschrieben und die wird vom Webbrowser ausgeführt. Damit die Software funktioniert ist es entscheidend, dass eine aktuelle Version eines Webbrowsers wie Firefox, Edge, Chrome oder Safari oder einem beliebigen anderen Webbrowser installiert ist, die mit der Programmierspache Javascript umgehen kann.
Die Technik dahinter
Ein Blick in den Ordner Files verrät sehr schnell, wie das Programm aufgebaut ist: Es handelt sich einfach um eine Webseite. Von einer herkömmlichen Webseite unterscheidet Sie sich nur dadurch, dass Sie nicht auf einem Server-Computer im Internet gespeichert ist, sondern auf dem USB-Stick.
Der oder die Programierer benutzen eine fertige Programmsammlung (ein sogenanntes Framework
) mit dem Namen bootstrap
das gratis im Internet angeboten wird, um die Auswahlknöpfe und die Steuerung des Programms zu realisieren.
Die eigentlichen Augenübungen bestehen aus kleinen, animierten Filmen von je 30 Sekunden Länge, die mit dem Programm synfig
hergestellt wurden, das ebenfalls gratis im Internet heruntergeladen werden kann. Je nachdem, welche Übung man bei der Benutzung des Programms anklickt, werden dann 2, 4, 6, 8 oder 10 der kurzen Animationsfilme in einer vorgegebenen Reihenfolge abgespielt.
Mit ein paar Zeilen Javascript-Programmcode sind diese Bestandteile verbunden und vermitteln den Eindruck eines kompletten Programms.
Daran ist nichts verwerfliches: Sehr viele Webseiten benutzen Frameworks und binden Animationen ein. Aber HighTech, wie in Spenden-Transparent Nr.11 gerühmt, ist das nicht.
Unklare Lizenz
Als nächstes stellt sich die Frage, welche Rechte an der Software man eigentlich erworben hat. Das Framework bootstrap, das die Programierer verwendet haben, ist frei unter der MIT-Lizenz
verfügbar.
Aber wie verhält es sich mit dem Programmteil und den Animationen, die von der RWTH-Aachen im Auftrag der dPV Entwickelt wurden?
Darf ich die Software auf mehreren Rechnern nutzen (z.B. Stationärer PC, Notebook und/oder Tablet)?
Darf ich die Software weitergeben und wenn ja, an wen?
Darf ich die Software eventuell sogar veröffentlichen (was sehr einfach wäre, da es sich prinzipiell ja um eine Webseite handelt)?
Eine Antwort darauf sucht man vergebens. Auch eine Kontaktadresse oder einen Projektverantwortlichen konnten wir nicht finden.
Die Funktion des Programms
Wie bereits beschrieben, wird das Programm mit der Datei Start.html aufgerufen. In der folgenden Menü-Auswahl kann man die Geschwindigkeit und die Dauer der Übung auswählen. Die Übungen sind einfach aufgebaut, aber dennoch kommt sehr schnell eine Frage auf: Was muß man tun?
Für die ersten Übungen ist das kein Problem. Wie es in der Anleitung heißt besteht die Herausforderung darin, dem Zielelement - hier als Augensymbol dargestellt — mit Ihren Augen konzentriert zu folgen. Das funktioniert aber nur mit den ersten Übungen. In den weiteren Übungen gibt es mehrere Augensymbole. Eines davon ist oft Farbig hervorgehoben. Aber das Farblich hervorgehobene Symbol wechselt mal mit den anderen oder es verschmizt damit oder es bleibt stehen, während sich die nicht hervorgehobenen noch bewegen. Die Anleitung gibt leider keine Auskunft, worauf man sich bei diesen Übungen konzentieren soll.
Eine seltsamer Begrüßung
Auf dem USB-Stick, in dem Ordner Files befindet sich noch eine Datei mit dem Titel Begrüßung.pdf. Diese Datei beginnt mit:
Ein herzliches Willkommen zur / Herzlich willkommen zur Studie des Augenmuskeltrainings!
Wir freuen uns sehr über Ihr Interesse zur Teilnahme an unserer Augenmuskeltraining-Studie. Diese wird von der Deutschen Parkinson-Vereinigung e.V. in Kooperation mit dem Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen durchgeführt.
Mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen, wie dieser Text in die Entstehungsgeschichte der Software passt.
Fehler
Fehler kommen bekanntlich immer ‘mal wieder vor. Aber dieses Programm hat offenbar niemand ernsthaft getestet.
Um die Übungen durchzuführen gibt es nur zwei Möglichkeiten: Den Knopf Trainig starten oder den Knopf Übungsübersicht mit der man gezielt einzelne Übungen auswählen kann. Unter der Übungsübersicht hat man die Wahl zwischen 7 Basisübungen und 7 Komplexübungen. Schade nur, dass alle Knöpfe in diesem Menü tatsächlich das gleiche Resultat liefern und nur die erste Basisübung anzeigen.
Fazit
Das Programm überrascht in vielerlei Hinsicht.
- Es gibt eine gedruckte Anleitung die im Wesentlichen auf die (sehr einfache) Bedienung eingeht. Erklärungen zur Durchführung der Übungen sind dagegen kaum vorhanden.
- Die gezielte Auswahl von Übungen ist dank eines Programmierfehlers nicht möglich. Damit ist der tatsächliche Nutzwert der Software deutlich eingeschränkt.
- Der merkwürdige Begrüßungstext in der gleichnamigen Datei, legt den Verdacht nahe, dass die Software ursprünglich für eine Studie entwickelt wurde und später umgewidmet wurde.
- Nutzungs- und Urheberrechte der Software sind unklar.
Die ganze Software wirkt wie ein lieblos zusammengeschustertes Projekt an dem niemand wirkliches
Interesse hatte. Wie sonst lassen sich Dateien auf dem Stick erklären die dort vermutlich nicht sein sollten oder ein Untermenü in dem kein einziger Knopf das gewünschte Resultat liefert. Eine Endkontrolle oder Abnahme, die den Namen verdient, hat es offensichtlich nicht gegeben.
Und schließlich bleibt die Frage, warum ein Programm, dessen Entwicklung aus Spendengeldern finanziert wurde und das fast ausschließlich auf kostenloser Software basiert, fast 20,-€ bzw. 30,-€ kosten soll.